Die „Südsee“ lockt
In Lohals trifft mich der Schlag. Der Hafen ist rappelvoll. Doch in der schmalen Einfahrt finden wir tatsächlich noch eine Lücke, um dort längsseits festzumachen. Später kommen noch diverse weitere Boote, überall werden Päckchen gebildet.
Auch die dänische Segeljugend ist hier auf ihrem alljährlichen Sommertörn mit einem Dutzend Booten gestrandet. „Uge 29 Ungdoms Cruise“ weht es von den rot-weißen Bannern. Die jungen Leute sorgen für reichlich musikalische Stimmung im Hafen und ermuntern lautstark zum Mitsingen. Applaus von allen Booten.
Das Landprogram ist nicht weniger spektakulär. Auf dem Hafengelände haben sich hunderte Marktbeschicker mit allem möglichen Krempel niedergelassen. Meine Mädels sind von den Lohalser Markedsdage schwer beeindruckt.
Ich freue mich auf einen Schnack und ein kühles Bier mit Vereinskameraden, die hier ebenfalls vor Anker gegangen sind. Letztendlich war Lohals recht amüsant, doch einen weiteren Tag muss ich es nicht haben. Nächste Station, 15 Meilen weiter südlich. Wir segeln nach Rudkøbing, in die kleine hyggelige Hauptstadt Langelands.
Zunächst geht es auch dort wieder zur Sache. Unsere jugendlichen Stimmungsmacher von Lohals hatten doch tatsächlich das gleiche Ziel wie wir. Offensichtlich hat die Stimme am Tag zuvor sehr gelitten. Denn nach kurzer Gesangseinlage verlagern sich die jungen Segler an Land zu einem friedlichen Grillevent.
Auch meine Mädels beantragen Landgang. Bei dem schönen Städtchen auch kein Wunder. Natürlich zunächst zum Shoppen, die Gogade rauf und runter. Vor allem das Vaffelhuset, mit seinem unverkennbaren Duft, strahlt eine magnetische Wirkung aus. Eine lange Schlange vor dem Haus deutet jedenfalls darauf hin. Die älteste Straße Rudkøbings, die Ramsherred, mit ihren uralten, kleinen, schmucken Häusern und den vielen Stockrosen auf der engen gepflasterten Gasse sollte man auf keinen Fall links liegen lassen. Am Hafenkiosk decken wir uns schließlich noch mit leckeren Fischfrikadellen ein.
An Strynø kommen wir nicht vorbei. Eine kleine Insel mit ganz besonderem Charme. Es lohnt sich kaum die Segel zu setzen, es sind nur knapp fünf Meilen. Auch anderen scheint es dort zu gefallen, der kleine Hafen ist bereits gut gefüllt. Nach dem Festmachen lassen wir uns direkt von der dänischen Gelassenheit anstecken und machen uns über ein zweites Frühstück her. Die Dänen nennen es Frokost und schließen es mit einem oder zwei Gammeldansk ab.
Am kurzen Steg, im Schilfgürtel, sticht mir das Aushängeschild der Insel gleich ins Auge: Smakken-Boote. Dieser historische Bootstyp ist einst auf Strynø entstanden und wird hier auch heute noch von Hand gefertigt. Gleich hinterm Zeltplatz und dem kleinen Café deutet ein unscheinbares Schild, von Büschen halb verdeckt, auf das kleine Smakke-Center hin.
Ich habe Glück, höre Geräusche aus der alten Scheune. Die Tür ist einen Spalt geöffnet. Der Blick des arbeitsamen Bootsbauers signalisiert mir willkommen zu sein. Kurz legt er seine Werkzeuge zur Seite und erzählt mir über Entstehungsgeschichte und Bauweise. Bewährte alte Handarbeit. Baustoff: Natürlich Holz.
Stark beeindruckt ziehe ich weiter ins Dorf. Mittendrin der Stolz der Inselbewohner: Ein hoch hinaufragender Maibaum. Die alte Schmiede wurde längst zum Dorfkrug umfunktioniert. Auf der Bank davor meine Mädels, im Ruhemodus. Noch. Denn den urigen Kaufmannsladen, die Kirche und die vier Dorfteiche wollen wir uns gern noch ansehen. Von der Straße, die rund ums Dorf führt, zweigen Feldwege ab, wo sich am Ende stets das Ostseewasser widerspiegelt. Das frisch gebackene Schwarzbrot vom Kaufmann ist noch warm, als wir uns an Bord ‘ne Stulle schmieren. Ich mag diese kleinen, scheinbar unberührten Inseln. Sie laden ein zum Abhängen.
Deshalb ist stets ein wenig Wehmut im Gepäck, wenn wir weiterziehen. Und so ist es auch diesmal, als wir nach Marstal aufbrechen. Der südlichste Hafen von Ærø liegt strategisch sehr günstig, am Rande der Dänischen Südsee. Viele Segler nutzen dies, so wie wir, bei unserem letzten Stopp unter dänischer Gastlandflagge. Entsprechend gut gefüllt ist das große Hafenbecken. Hier sollte man sich die Stegnummer schon merken, um nicht auf einem fremden Boot zu landen.
Im Bewusstsein, dass der Törn sich dem Ende neigt, genießen wir hier umso mehr die schmalen Gassen mit alten, schiefen Häusern, die malerischen Strandhütten, die Wanderwege der Umgebung. Und weil wir davon nicht genug bekommen können, bringt uns der Bus noch für ein paar Stunden in die Märchenstadt, nach Ærøskøping.
Wie oft sind wir schon den Kaptajnsti am Ufer entlang spaziert. Und immer wieder verzaubern uns die winzigen aneinander gereihten alten Häuser mit ihren üppig bewachsenen Blumengärten. Und auch oben, von der Nørregade, begeistert der Blick durch die kleinen Sprossenfenster der schiefen Häuser aufs Wasser. Das vorerst letzte Softeis lassen wir uns zum Abschluss dann besonders gut schmecken.
Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes: Noch zwei Tage östliche Winde mit viel Sonne. Dann aber dreht der Wind auf West und bringt die ganze Woche Regen und reichlich Wind mit. Das passt gerade noch so, wenn wir uns denn zügig auf den Rückweg machen. Einen letzten Zwischenstopp in Gelting, mit einem leckeren Abschlussessen im Fährhaus Wackerballig, lassen wir uns aber nicht entgehen.
Der Plan geht auf. Trocken und mit leichtem Schiebewind erreichen wir unseren Heimathafen. Beim Spätaufsteherfrühstück im heimischen Wintergarten prasselt der Regen kräftig aufs Dach. Der Wetterbericht hat tatsächlich mal gestimmt...
Abends, vorm Einschlafen, resümiere ich im Stillen für mich: So Manches haben wir bei unserem Dänemark-Törn tatsächlich neu entdeckt. Dabei sind wir noch nicht einmal weit gefahren. 450 Seemeilen in fünf Wochen. Also viele kurze Etappen mit ausreichend „Landprogramm“ zum Relaxen. Die Mischung macht‘s – offensichtlich. Die Crewwechsel bzw. -ergänzungen waren belebend. Unterm Strich eine wirklich schöne Zeit mit interessanten Erlebnissen. Dass wir in der Hauptferienzeit unterwegs waren, war mal mehr, mal weniger stark spürbar. Vielleicht nächstes Mal im Mai los!? Aber dann wird es mit dem Baden kritisch... Da schlaf ich erst noch drüber.
-:-:-:-:-
Buchtipp
Wie war es „als Gast“ an Bord der CHINTA auf der Entdeckungsreise in den dänischen Gewässern – hat es dir gefallen?
Weitere Törns in unserem schönen Heimatrevier und anderen tollen Regionen der Ostsee kannst du hautnah miterleben. Schonungslos – mit so manchen Niederlagen, aber auch großartigen Momenten. Die Weite des Meeres – aber auch die Nähe zu Land und Leuten – brutzeln, werkeln, fachsimpeln – einfach nur chillen, der Sonnenuntergang bei einem Glas Wein ...all das führt zum Segelvirus.
Und das Beste, man muss nicht mal selbst lesen – einfach verschenken! Das Buch gibt es beim örtlichen Buchhandel und bei Amazon. Dort ist es auch als eBook erhältlich.