Wenig los im Großen Belt
Vom Kattekat geht es quer über den Großen Belt zur größten Insel Dänemarks, nach Sjælland. Die Welle ist hier anders. Bei leichtem achterlichen Wind wirkt die Dünung einschläfernd. AIS ist aktiviert. Doch von den großen Pötten ist auf der Hauptverkehrsachse nur wenig zu spüren. Schemenhaft zeichnet sich die Store-Belt-Bro mit ihren gewaltigen Pylonen am südlichen Horizont ab. In der geschützten Bucht vor Musholm ankert ein Dreimaster. Im Fernglas erkenne ich die Alex von Humboldt II, mit ihrem grünen Rumpf. Gemächlich nähern wir uns Reersø.
Aus den umliegenden Aufzuchtgebieten werden hier täglich frische Meeresfrüchte und Fisch angelandet und direkt verarbeitet. Am Fiskehus, Røgeri & Café kommt man nicht vorbei. Ein absolutes Muss. Ein echter Hingucker ist Clara‘s Kaffevogn. Wer die Gemütlichkeit liebt und auf selbstgebackenen Kuchen steht, sollte in dem umgebauten Campingwagen oder unter den Obstbäumen im Garten unbedingt Platz nehmen.
Die Halbinsel ist mit dem Fahrrad schnell erkundet. Den Sonnenuntergang genießen wir an der Steilküste von Reersø Rev. Ein Glas Rotwein hätte gut dazu gepasst. Das holen wir an diesem lauen Sommerabend im Cockpit nach.
Ein steifer Nordwest schiebt uns weiter nach Süden. Doch die Neugierde lässt uns nicht an Mullerup Strand vorbei, machen dort einen kurzen Stopp. Heute steht mächtig Schwell in dem kleinen Hafenbecken. Bei besseren Windbedingungen gucken wir gern mal wieder rein.
Der Wind hat weiter aufgebriest. Mit Unterstützung des Stroms machen wir reichlich Speed und nähern uns schnell den 250 Meter hohen Pylonen. Doch 1,50 Meter Welle schmälert ein wenig den Segelgenuss. Abseits der Hauptfahrrinne bietet die Brücke im „Tor 10“ ausreichend Höhe für unseren Mast.
Wie von Geisterhand gesteuert, finden wir gleich hinter der Brücke sehr moderate Segelbedingungen vor. Doch bis Korsør sind es leider nur noch drei Meilen. Hinter dem Militär- und dem Fischereihafen schließt sich der riesige Lystbådehavn mit über 500 Liegeplätzen an. Diese anonyme Größenordnung ist nicht mein Ding. Doch der schöne Ausblick auf den großen Belt von der Bank, hoch oben auf der Mole, macht es erträglich. Die Altstadt und das Noor im Hinterland bieten sich für kurze Streifzüge an.
Außerdem ist der Hafen mit der angrenzenden Bahnlinie Flensburg – Køpenhavn für Crewwechsel gut geeignet. So nehmen wir am nächsten Tag unser neues Crewmitglied, Ingrid, in Empfang.
Zu dritt ziehen wir weiter in das zehn Meilen entfernte versteckte Örtchen Skælsør. Zugegeben, es fällt mir schwer, die beiden liebenswerten Inseln Agersø und Omø deshalb zu vernachlässigen. Doch bereits die 2,5 Meilen im engen Fahrwasser des naturbelassenen Fjords entschädigen dafür.
Unser letzter Besuch liegt viele Jahre zurück. Damals haben wir uns dort vorm Sturm versteckt. Abgewettert. Einiges ist aus der Erinnerung gewichen oder hat sich stark verändert. So entdecken wir dieses, abseits der Segelroute gelegene, kleine Städtchen halt neu. Diesmal ohne Sturm und Regen. Die Sonne brennt sich erbarmungslos auf der Haut ein.
Die großen Silos der Harboes-Bryggeri und lang gestreckte, mit weißen Planen abgedeckte Obstplantagen dienen bei der Anfahrt als markante Wegweiser. Doch den gemütlichen kleinen Hafen an der Backbordseite, am Ende des Fjords, hätten wir wohl auch so sicher angesteuert. Das große Hinweisschild am Clubhaus auf ein verführerisches und obendrein kostengünstiges Büfett entdecken wir leider erst nach dem Essen.
Wie der Hafen ist auch der lebhafte Ortskern mit einer überschaubaren Gogade, dem Pakhus am Hafen und dem sich anschließenden Noor genau nach unserem Geschmack. Das gute Wetter lädt ein zum Wandern. In der Abenddämmerung stehen wir schließlich vor den verpackten Obstplantagen. „Alles Kirschen“, wie uns das Ehepaar des angrenzenden Hauses erklärt. So erfahren wir in einem sehr interessanten Gespräch unter anderem, dass die Kirschen und das Bier einen engen Bezug haben. Denn der Besitzer der Plantage ist ein Deutscher und der hat die Tochter der Brauerei geheiratet. Es bleibt zu hoffen, dass die Kirschen nicht im Bier landen.
Fast hätten wir sogar einen Gottesdienst besucht. Denn der Pfarrer bringt sich den Tag und die ganze Nacht über – halbstündlich – mit seinen Kirchenglocken in Erinnerung. Doch wir konzentrieren uns lieber auf die Seefahrt.
Bevor wir wieder Segel setzen, befassen wir uns eingehend mit dem Seewetterbericht der kommenden Woche. Hatten schon länger keinen Westwind mehr. Und den brauchen wir rein gar nicht, wenn wir erst durch den Guldborgsund sind und dann Kurs Heimat einschlagen. Einerseits schlägt das Herz für Fejø, Nykøbing und Nysted, andererseits haben wir dort bei starkem Westwind keine guten Optionen.
Schließlich meiden wir aufgrund der Wetterprognose das Risiko und machen jetzt schon mal ein paar Meilen nach Westen gut. In der Dänischen Südsee haben wir dann bessere Möglichkeiten aufs Wetter zu reagieren.
Zunächst genießen wir aber noch den schönen Skælsørfjord. Bei 4 Windstärken aus Nordwest passieren wir erneut die Hauptschifffahrtsroute im Großen Belt und kommen so gerade noch ohne zu kreuzen um Hov Sand, die nördliche Untiefe Langelands, herum.